Der Menschensohn muss erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Johannes 3, 14b.15)

   

Stoffe im Gottesdienst

| Antependien | Paramente des Altars | Paramente der Mitwirkenden |

Pultvelum
Lesepult von St. Martin mit violettem Pultvelum

Pultvelum auf dem Altar
Lesepult auf dem Altar in St. Martin mit
schlichtem weißen Pultvelum

Kelchvelum
Beiges Kelchvelum mit Kreuz und Borte
auf dem Altar in St. Martin

Betrachten wir nun die verschiedenen Stoffe, die im Gottesdienst Verwendung finden. SIe sind ein weiterer Baustein in der Schönheit des Gottesdienstes. Ziel ist es auch hier, die Bedeutung der inneren und äußeren Zeichen des Gottesdienstes wieder in das Bewusstsein zu bringen und die Traditionen zu pflegen.

So wie das fortdauernde Feiern der Evangelischen Messe in unseren Kirchengemeinden eine über Jahrhunderte beibehaltene lutherische Tradition ist, so sind auch die in den Kirchen und Gottesdiensten sichtbaren äußeren Zeichen beibehalten worden. Gemeint sind zunächst die Liturgische Farbenfarbigen Behänge im Kirchenraum, auf dem Altar einerseits und die Kleidung der im Gottesdienst handelnden Personen andererseits.

Es wechseln in einem konkreten Rhythmus die Farben der Tücher, mit denen der Altar, die Kanzel, der Taufstein und das Lesepult bedeckt sind. Auch bei der Feier des Heiligen Abendmahls kommen verschiedene Tücher mit eigener Bedeutung zum Einsatz. Zudem hat auch die Kleidung der Mitwirkenden eine Symbolik..

Zunächst wird unterschieden zwischen Antependien und Paramenten.

Die Verwendung von Antependien als auch von Paramenten ist auch in unserer Kirchengemeinde nachweisbar. Sie sind zum Teil noch erhalten, zum Teil neu gefertigt oder verschlissene Teile sind neu angeschafft worden.

Auch diese Tradition gilt es, weiter zu pflegen und die tiefere Bedeutung wach zu halten.

Antependien

Antependien sind der Altar- und Kanzelbehang sowie der Behang des Taufsteins und des Lesepults (Velum; lateinisch für Segel, Tuch, Hülle), ebenso das Kelchvelum und die Bursa. Die Antependien werden entsprechend der Liturgische Farbenliturgischen Farben des Kirchenjahres aufgelegt; weiß, violett, grün, rot und schwarz.

Das Pultvelum bedeckt das Lesepult, auf dem das Lektionar oder die Bibel liegt. Es trägt die liturgischen Farben des Kirchenjahres oder ist schlicht in weiß gehalten.

Das Kelchvelum ist oft ein prächtig verziertes Tuch, das im Abendmahlsgottesdienst bis zur Gabenbereitung und nach der Abendmahlsfeier das Heilige verdecken und schmücken soll.

Die Bursa ist eine mappenartige Stofftasche, in der das Korporale wegen seiner besonderen Funktion aufbewahrt wird.

Kelchwäsche
Palla auf dem Abendmahlskelch mit Kelchtuch, auf dem Korporale mit schmuckvollen Stickereien stehend

 

Paramente

Paramente sind die in der Liturgie verwendeten Textilien. Bei den Paramenten wird noch einmal unterteilt in Paramente des Altars und Paramente der Mitwirkenden.

Paramente des Altars

Zu den Paramenten des Altars zählen das Altartuch und die sog. Kelchwäsche des Abendmahlskelchs (also Korporale, Kelchtuch und die Palla).

Das Altartuch ist eine weiße, in der Regel aus Leinen gefertigte Tischdecke auf dem Altar; meist mit Spitze besetzt. Es ist ein Zeichen der Ehrfurcht als auch Schmuck und Schutz des Altars und der liturgischen Geräte5. Der Gebrauch des Altartuchs ist seit dem 4. Jahrhundert nachweisbar. Es steht als Sinnbild für die Grabtücher, in die Jesus nach seinem Tod gewickelt wurde.

Das Korporale ist ein quadratisches weißes Leinentuch – angelehnt an das Grabtuch Jesu –, auf dem Kelch, Patene6, Hostienschale und Hostiendose auf dem Altar stehen. Es soll verhindern, dass bei der Brechung der Hostien und dem Füllen des Kelches Partikel des Heiligen Abendmahls verlorengehen. Daher darf es nur in eine Richtung aufgelegt und gefaltet werden, damit keine Partikel zu Boden fallen können. Weil es direkt mit der Hostie in Berührung kam, wird dem Korporale besondere Sorgfalt entgegengebracht. Sodass es in der Bursa aufbewahrt wird. So sagte Kyrill von Alexandria (* 313, † 386): „Habe wohl Acht, damit von den eucharistischen Gestalten nichts verloren gehe. Denn sage mir, wenn dir jemand Goldkörner gäbe, würdest du sie nicht mit größter Behutsamkeit halten und besorgt sein, dass keines davon verloren geht und du keinen Schaden leidest? Um wie viel mehr musst du auf der Hut sein, auch nicht ein Brotsämlein zu verlieren von dem, was unvergleichlich wertvoller ist als Gold und Edelstein.”

Das Kelchtuch (auch Purifikatorium genannt, lateinisch purificare – reinigen) ist ein einfaches weißes Tuch. Es wird zur Reinigung des Kelchrandes während der Kelchkommunion verwendet und dreifach gefaltet. Es ist seit dem frühen Mittelalter nachweisbar.

Die Palla ist eine quadratische, versteifte, mit weißem Stoff überzogene Platte. Sie liegt vor der Gabenbereitung und nach der Abendmahlsfeier auf dem Kelch und der Patene, um eine Verunreinigung zu vermeiden.

 

Liturgischer Talar
Schwarzer liturgischer Talar

Albe
Cremefarbene Albe

Chorhemd
Chorhemd

Paramente der Mitwirkenden

Und zum anderen gibt es also die Paramente der mitwirkenden Personen; die liturgische Kleidung. Dazu zählen Albe, Talar, Chorhemd, Chormantel, Zingulum und Stola. Heilige Gewänder finden sich schon im Alten Testament (2. Mose 28, 4-5).

Kleidung hat einen Symbol- und Zeichencharakter; nicht nur hinsichtlich der liturgischen Farben des Kirchenjahres. Hinsichtlich der liturgischen Kleidung darf nicht verkannt werden, dass der Gottesdienst eine Lebensäußerung der gesamten an der Feier beteiligten Gemeinde und keine Funktion des Pfarrdienstes allein ist. Die verschiedenen Gaben der Gläubigen werden vom HERRN in den Dienst genommen. Daher sind auch alle Mitwirkenden berechtigt, liturgische Kleidung zu tragen. Ihre Kleidung erzählt also etwas von der Rolle, die sie wahrnehmen. Denn jeder Mitwirkende verrichtet seinen Dienst stellvertretend für die Gottesdienstgemeinde.

Die liturgische Kleidung zählt zu den Adiaphora. Sie ist also nicht heilsnotwendig; sie ist ethisch neutral, sie entzieht sich einer Zuordnung als gut oder böse. Martin Luther trug zu den Abendmahlsfeiern Messgewänder, lediglich zur Predigt trug er den schwarzen Rock der damaligen theologischen Universitätsprofessoren. Die Messgewänder für Messgottesdienste wurden erst 1811 auf staatliche Anordnung abgeschafft. Bis dahin ist die Nutzung von liturgischer Kleidung – insbesondere von Messgewändern – in unserer Kirchengemeinde in lutherischer Tradition nachweisbar.

Von der liturgischen Kleidung zu unterscheiden ist damit die Dienst- und Amtskleidung der Pfarrer; der schwarze Talar mit weißem Beffchen. Der Talar mit weißem Beffchen wurde durch die staatliche Kabinettsorder vom 20. März 1811 und damit auf Anordnung des preußischen Königs Friedrich Wilhelms III. als gottesdienstliche Amts- und Dienstkleidung der Pfarrer eingeführt und ersetzte damit die liturgische Kleidung der Pfarrer im Gottesdienst.

Die grundlegende liturgische Kleidung ist die sog. Chorkleidung, die sowohl vom Pfarrer als auch von den sonstigen Mitwirkenden getragen werden kann. „Chor“ leitet sich bei der Chorkleidung vom sog. Chorraum her, der heute als Altarraum bezeichnet wird. Dort fand früher der Chor zum liturgischen Gesang seinen Platz. Die Chorkleidung war und ist auch in der Evangelischen Landeskirche in Mitteldeutschland für alle im Gottesdienst Mitwirkenden zulässig. Die Nutzung lässt sich ebenfalls in unserer Kirchengemeinde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nachweisen.

Der schwarze (liturgische) Talar ist ein knöchellanges Unter- oder Grundgewand und gehört zur sog. Chorkleidung. Er ist anliegend, faltenlos und hat enge Ärmel sowie einen Stehkragen. In dieser Funktion ist er auch in der römisch-katholischen Kirche mit derselben Funktion als Untergewand in Benutzung.

Der schwarze (Dienst-)Talar der Pfarrer als Dienstkleidung unterscheidet sich davon optisch deutlich: Er ist weitärmelig und schließt am Hals mit einem Umlegekragen ab. Unter einem glatten Bruststück und einem glatten Stück etwa auf Höhe der Schulterblätter fällt der Stoff in Falten.

Die Albe ist ebenfalls ein liturgisches Unter- oder Grundgewand. Sie ist ein weißes, cremefarbenes oder in lichten Grautönen gehaltenes, knöchellanges Gewand, das in der Regel von allen Mitwirkenden im Gottesdienst getragen werden kann. Die Albe symbolisiert das Taufkleid und damit die Reinheit des Herzens. Es nimmt Bezug auf Luthers Lehre vom Priestertum aller Getauften. Zudem dient die Albe der ökumenischen Akzeptanz. Um die Taille kann ein Zingulum – auch in den liturgischen Farben des Kirchenjahres – getragen werden.

Aus der Albe als liturgischem Grundgewand entwickelte sich das Chorhemd; ebenfalls ein Teil der Chorkleidung. Das Chorhemd soll ebenfalls an die Taufe erinnern, die Farbe weiß ist dabei Ausdruck der Freude. Es ist jedoch kürzer, mit weiten Ärmeln, hat einen größeren Halsausschnitt und ist in der Regel aus weißem Leinen gefertigt. Das Chorhemd wird über dem (liturgischen) Talar getragen.

Der Amikt – auch Schultertuch genannt – soll die gewöhnliche Kleidung am Hals verdecken. Die weiße Farbe des Amikts verweist auch auf das Taufkleid. In geistlicher Deutung steht der Amikt für die besondere Bitte um Gottes Schutz. Es wird getragen als Symbol der Lauterkeit der Gesinnung und der Reinheit der Gedanken.

Der Chormantel ist die Weiterentwicklung der Albe. Er ist ebenfalls ein Teil der Chorkleidung. Beim Chormantel handelt es sich um einen etwa knöchellangen, halbkreisförmigen, ärmellosen, weiten Umhang; in den liturgischen Farben des Kirchenjahres, meist aber in einem hellen, neutralen Farbton. Er wird auf der Brust von einer Schließe zusammengehalten. Er kann beispeilsweise zu festlichen Gottesdiensten, bei Vespern, Andachten, zu Prozessionen und Bestattungen als Übergewand über dem Chorhemd angelegt werden.

Das Zingulum ist ein kordelartiger Gürtel oder ein gewebtes Stoffband um die Albe oder den Talar. Es gehört damit zum Untergewand, ordnet den Faltenwurf der Albe und kann die Gewandlänge an die Körpergröße anpassen. Es geht auf die biblische Symbolik des Sich-Gürtens zurück und stellt die Bereitschaft im Hinblick auf die Wiederkunft Christi dar (2. Mose 12, 11, Epheser 6, 14 und Lukas 12, 35-36). Das Zingulum drückt zudem Demut gegenüber dem sich aufblähenden Gewand aus (Seckauer Missale, 12. Jahrhundert).

Die Stola ist ein etwa 10cm breiter rund 2,5m langer schalartiger Stoffstreifen in den liturgischen Farben des Kirchenjahres, der beidseitig von den Schultern herabhängt. Sie ist ein Zeichen für den Dienstcharakter des Hirtenamtes; daher den Ordinierten vorbehalten. Sie symbolisiert das Joch Christi, das der Ordinierte bereit ist zu tragen.

Die Kasel ist ein ärmelloses, liturgisches Übergewand in Form eines Überwurfs für den Liturgen in den Farben des Kalenderjahres, der über der Albe und Stola getragen wird. Die geläufige Bezeichnung ist Messgewand. Dieses Kleidungsstück ist auch in Zwochau bis ins 17. und 18. Jahrhundert nachweisbar.

Die Nutzung dieser liturgischen Kleidung wurde leider durch das Zeitalter der Aufklärung, die philosophische Strömung des Rationalismus und die Reformbewegung des Pietismus aus dem evangelischen (Mess-)Gottesdienst verbannt und ließ sie aussterben.Das Wiederauflebenlassen dieser Nutzung in unseren Kirchengemeinden folgt dabei allein lutherischer Tradition.

Das Tragen liturgischer Kleidung und damit die Rückkehr zu liturgischen, genuin lutherischen Traditionen macht die Feier des Messgottesdienstes mit allen Sinnen erlebbar. Wir feiern den Gottesdienst hierdurch mit Tradition in seiner liturgischen Weite und Tiefe.

Die Erneuerung der Kirche muss durch die Erneuerung der Herzen erfolgen – nicht durch neue Gottesdienstformen, die ihn zunehmend säkularisieren. So steht schon in Römer 12, 2: Und stellet euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen möget, welches da sei der gute, wohlgefällige und vollkommene Gotteswille.

Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir müssen nur daran drehen. Denn die Erneuerung der Kirche kann nur aus der Tradition heraus gelingen; mit Glaube, Hoffnung und Liebe.

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